Hallo zusammen,
Ich möchte jetzt noch die offenen Fragen beantworten:
Ich würde hier mal die Frage nach "soft-suizidalen" Anteilen stellen wollen ... sich wegtrinken als Lösungsversuch, wenn sonst der Mut fehlt, sich aus dem Leben zu räumen? (falls ja, wäre das ein wichtiges Frühwarnzeichen für die Rückfallabsicherung)
Wie schon geschrieben, hatte ich keine soft suizidalen Gedanken und hatte nie Gedanken "mich aus dem leben zu räumen" Allerdings wollte ich die negativen Emotionen verdrängen und das ging vermeintlich am besten, wenn ich mit den freunden "zum Feiern" weg ging. Da waren die ganzen Probleme ganz weit weg.
Wie kannst du dir erklären, dass Du Dir ausgerechnet Vieltrinkerkreise ausgesucht hast? Immer wieder?
Die Vieltrinker waren die Personen, die auf Festen unterwegs waren und "gefeiert" haben. Für Probleme war da kein Platz. Als Beispiel: Auf einem Straßenfest sind wir dann bei der Musik gestanden, es wurden immer wieder Runden Bier geholt, mitgesungen und wenn der Pegel stieg waren auch die Gespräche oberflächlich, es wurden Sprüche gemacht und wir haben uns gefreut, dass wir beisammen sind etc. Für tiefgreifende Gespräche war kein Platz, es ging nur um den Moment. Und das wollte ich ja auch. Abgelenkt sein und die Probleme verdrängen
Wäre ich mit den "Wenigtrinkern" auf das Straßenfest gegangen, wären wir erst mal lange über das Fest geschlendert, hätten uns irgendwo hingesetzt und etwas gegessen und uns über verschiedene Themen unterhalten (so wie es ja auch normal ist). Das fand ich in den Phasen meines hohen Alkoholkonsums zu langweilig und ich fand es einfach auch cooler mit den Freunden Party zu machen. Es waren immer gesellige Runden und kein Trinken in Wohnungen ohne Programm. Auch deshalb habe ich mein Verhalten nicht hinterfragt. Zu viel trinken waren für mich Leute, die allein daheim trinken, oder mit anderen trostlos in der Wohnung rumsitzen und trinken.
Heute unternehme ich sehr viel mit den Freunden, die ich während meiner Trinkphasen langweilig fand. Dies liegt daran, dass sich mein Fokus und meine Interessen verändert haben und ich gemerkt habe, dass ich den früher vermeintlich langweiligen Freunden sehr viel bedeute und sie für mich da sind und auch da sein wollen.
wie es für Dich war, aktiv um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen .. denn dazu dürftest du ja erstmal gegen uralte innere Widerstände zu kämpfen gehabt haben. Das macht man nicht "mal eben" von heute auf morgen (der Gutachter will spüren, dass dieser Entwicklungsprozess wirklich stattgefunden hat und nicht nur eine Behauptung ist).
Ja, es fiel mir nicht leicht, über meine Gefühle zu sprechen. Ein wichtiger Punkt war, dass ich mit der Trunkenheitsfahrt offen umgegangen bin. Das hat mich viel Überwindung gekostet und war auch mit Scham verbunden. Aber was wäre die Alternative gewesen? Mir war klar, dass ich grundlegend etwas ändern und dazu stehen muss. Damit war auch mein "Getue", dass ich der Starke bin, der alles schafft hinfällig. Ein wichtiger Punkt war das Aufsuchen meiner Verkehrspsychologin. Auch das hat mich viel Überwindung gekostet, mich an eine Psychologin zu wenden, aber die Zusammenhänge, warum ich diese Trinkphasen hatte waren mir nicht klar und ich wusste, ich benötige hierbei Hilfe. Sie hat das super gemacht und hat mir Fragen gestellt und mich erzählen lassen. Die Stunden vergingen wie im Fluge, manchmal war ich auch 15 Minuten länger da. Die Zusammenhänge sind mir nach und nach klar geworden und haben sich wie ein Puzzle zusammengesetzt.
Als ich bei meiner Chefin gesagt habe, dass das Arbeitspensum reduziert werden muss, war mir das unangenehm aber ich wusste, dass es wichtig ist, um nicht wieder in Überforderung zu fallen und alles mit mir selbst auszumachen. Es wurde von ihr aber auch nicht negativ aufgenommen, sondern sie hat bestätigt, dass sie auch sieht, dass es zu viel ist. Ich musste zwar nochmal darauf hinweisen, mittlerweile unterstützt mich aber eine neue Kollegin.
Mit einer sehr guten Freundin (die Mutter meines Patenkindes) und zwei langjährigen Freunden habe ich über alles gesprochen, wie es in mir aussah etc. Für mich war das fast wie ein Seelenstriptease und alles andere als angenehm. Aber alle drei haben gesagt, dass ich auf sie zukommen soll, wenn mich wieder etwas bedrückt. Das Verhältnis ist noch enger geworden, da die es auch Vertrauensbeweis ansehen, dass ich mich ihnen gegenüber so geöffnet habe. Gleichzeitig weiß ich es sehr zu schätzen, wie wichtig ich ihnen bin. Die Freundin hat auch gesagt, dass im Nachhinein die Trunkenheitsfahrt das Beste ist, was mir passieren konnte. Ich weiß, wie sie es meint und wenn ich nicht angehalten worden wäre, hätte sich an meinem Trinkverhalten nichts geändert, außer, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit weiter angestiegen wäre.
Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntagabend.
Viele Grüße
Bruce