Tathergang
1. Beschreiben Sie den Tag Ihrer Trunkenheitsfahrt aus eigener Sicht mit Datum und Uhrzeiten.
(Wann, wo und mit wem getrunken / wann und wie aufgefallen / Promille)
Am Freitag, den 19.08.2022, beschlossen meine Frau und ich kurzfristig, an einem Fest (am Sportplatz mit Getränkeausschank, Pommesbude, Musik und etwas “Alibi”-Sport) in einem nahegelegenen Dorf teilzunehmen. Meine Mutter, die zu Besuch aus Süddeutschland war, erklärte sich bereit, währenddessen auf unseren Sohn (2 J.) aufzupassen. Wir freuten uns über die seltene Möglichkeit, wieder einmal zu zweit auszugehen. Gegen 19:15 Uhr fuhren wir mit unseren Fahrrädern von Zuhause (5km) zum Festplatz. Da dort noch wenig los war, schlossen wir unsere Räder an und gingen zum gegenüberliegenden Supermarkt, um dort etwas zu trinken zu kaufen. Ich trank dort um ca. 19:45 Uhr eine erste Dose Gin-Tonic und kurz darauf eine zweite, welche ich dann um etwa 20:15 Uhr mit auf das Fest nahm. Auf dem Fest war bereits etwas mehr los. Während meine Frau sich mit ihren Freundinnen unterhielt, stellte ich mich zu einigen bekannten Männern. Ich begann in recht kurzen (regelmäßigen) Abständen Bier zu trinken. Ich erinnere mich noch, dass mir mindestens 1-2 mal ein Korn Cola Becher gereicht wurde. Im Nachhinein konnte ich nicht mehr genau sagen, wie viel Bier und Korn Cola ich letztendlich auf dem Fest konsumiert hatte. Mittels Rückrechnung (per Widmark-Formel) wurde mir bewusst, dass ich neben den 2 Dosen Gin Tonic, 7,5 Flaschen Bier und mindestens 4 Korn Cola getrunken haben musste.
Etwas deutlicher erinnere ich mich an den Moment (ca. 0:15 Uhr), als plötzlich meine Frau vor mir stand und erklärte, dass es ihr überhaupt nicht gut ginge und sie sofort nach Hause wollte. Obwohl ich zunächst enttäuscht war, dass die Feier vorzeitig enden sollte, überwog meine Sorge um meine Frau (Angst, dass ihr bei der Heimfahrt etwas passieren könnte). Also stellte ich mein Bier ab und lief meiner Frau hinterher, die bereits Ihr Fahrradschloss öffnete. Als wir uns auf den Heimweg machten (etwa um 0:30 Uhr), begann mein Kampf mit dem Fahrrad. Ich hatte massive Koordinationsprobleme und konnte kaum geradeaus fahren (Schlangenlinien, Tunnelblick). Meine Frau (auf ihrem E-Bike) fuhr immer weniger Schlangenlinien, je schneller sie wurde, und sie entfernte sich zunehmend von mir. Ich versuchte, sie einzuholen (immer wieder im noch unsicheren Wiegetritt), aber meine Koordination war so stark beeinträchtigt, dass ich Mühe hatte, auf dem Rad zu bleiben und nicht vom Fahrradweg abzukommen. Schließlich, gegen 1:05 Uhr, verlor ich die Kontrolle und stürzte (alleinbeteiligt) mit dem Kopf voraus auf den asphaltierten Radweg. Dabei erlitt ich schwere Verletzungen: brach mir die Augenhöhle, die Nase und das Sprunggelenk, biss mir die Oberlippe durch und spürte, dass ein Schneidezahn wackelte. Ich stand komplett unter Schock und konnte umgehend nichts mehr auf dem linken Auge sehen und überall lief Blut herunter. Ich schrie meiner Frau hinterher, die mit ihrem Rad schon fast in der Dunkelheit verschwand. Sie hörte mich zum Glück und kam zu mir zurück. Etwa 2,5 km von dem 5km langen Heimweg hatten wir zurückgelegt. Ich konnte nicht mehr aufstehen (Sprunggelenksbruch) und überredete meine Frau (die wollte, dass wir nach Hause fahren) einen Krankenwagen zu alarmieren. Während der Wartezeit wurde mir schlecht wegen des vielen Blutes, mich überkamen Panik (Angst vor inneren Verletzungen) und Verzweiflung und ich weinte immer wieder, da mir bewusst wurde, dass ich den 3. Geburtstag meines Kindes nicht miterleben würde, weil ich Angst hatte und fühlte, dass ich schwer verletzt bin und weil ich schon realisierte, was für einen unglaublich dummen, sinnlosen und schwerwiegenden Fehler ich soeben begangen hatte. Der Krankenwagen kam dann etwas später zusammen mit einer Polizeistreife und brachte mich in ein nahegelegenes Krankenhaus (..……), wo mir um 2:23 Uhr Blut abgenommen wurde.
2. Was und wie viel haben Sie am Tattag insgesamt getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Trinkzeit)
19:45 - 20:30 Uhr: 2 x GinTonic (0,33l / 10 Vol.%)
20:30 - 00:15 Uhr: 7,5 x Bier (0,33l / 4,8%)
+ 4 x Korn Cola (0,2l / mit je ca. 4 cl (hand befüllt) Korn 32 Vol.%)
3. Wie viel Kilometer fuhren Sie, bis Sie aufgefallen sind und wie viele Kilometer wollten Sie insgesamt fahren?
2,5 km von 5 km.
4. Hatten Sie das Gefühl, noch sicher fahren zu können?
(Ja/Nein + Begründung)
In diesem Moment fühlte ich mich sicher genug und dachte, dass ich zusammen mit meiner Frau noch gut nach Hause kommen werde. Rückblickend war es eine grob fahrlässige Fehleinschätzung. Es war mir kaum mehr möglich, geradeaus zu fahren und auf dem Radweg zu bleiben (Schlangenlinien). Außerdem musste ich immer wieder ein Umkippen durch Abstützen verhindern. Es war alles sehr, sehr wackelig und gefährlich. Zudem konnte ich nicht mehr gut sehen (Tunnelblick, keine Tiefenwahrnehmung, Probleme zu fokussieren).
5. Wie haben Sie die Trunkenheitsfahrt vermeiden wollen (wenn überhaupt)?
Ich hatte mir für solche Feste ein altes Fahrrad von meinem Schwager ausgeliehen, welches auch vor Ort hätte bleiben können. In dem Dorf, in welchem auch das Fest stattfand, hätten ich bzw. wir auch bei Familie oder Freunden übernachten oder mit dem Taxi heimfahren können.
Leider spielten diese Überlegungen unter dem starken Alkoholeinfluss überhaupt keine Rolle mehr. Meine Frau war besorgt um ihr E-Bike. Ich hatte Angst um meine Frau und sie wollte sofort los. Keine Gedanken wurden in diesem Zustand an irgendwelche möglichen Konsequenzen verschwendet. Mein Großhirn war bereits ausgeschaltet (was mir in der Aufarbeitung bewusst wurde), wodurch der Verstand und die Vernunft mit den darin gespeicherten Normen und Werte nicht mehr abrufbar waren.
6. Haben Sie bereits früher im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gestanden und sind aufgefallen?
Nein.
7. Wie oft haben Sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen, ohne aufzufallen und was folgern Sie daraus?
Mir ist erst während der Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit und der Vorbereitung auf die MPU bewusst geworden, dass ich schon des Öfteren an einem Samstag- oder Sonntagvormittag zu früh ins Auto gestiegen bin und damit unter dem Einfluss von Restalkohol mit dem Auto fuhr. Auch wenn ich dies meist versucht habe zu vermeiden (keine frühen Termine; nur wenig Alkoholkonsum am Abend; Verzicht; grundsätzlich nur am Wochenende von Fr - Sa getrunken), ist es sicherlich schon etwa 30 mal vorgekommen.
Früher hatte ich mich nie genauer mit Restalkohol Werten beschäftigt, aber ich machte mir schon ab und zu Sorgen, dass ich mal von der Polizei kontrolliert werden könnte und war mir unsicher, ob dies zu echten Problemen führen könnte.
Mit dem Fahrrad bin ich, seit ich meine Frau (2007) und damit ihre norddeutsche Heimat kennengelernt hatte, schon öfter alkoholisiert von Festen und Feiern zurückgefahren. Schätzungsweise ca. 50 mal.
Ich folgere daraus, dass ich oft grob fahrlässig und verantwortungslos unbeteiligte und mich gefährdet habe, ohne mir intensiv Gedanken über mögliche Konsequenzen gemacht zu haben. Es zeigt auch, wie oft man selbst (und auch andere) unbemerkt unter dem Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne damit aufzufallen.
Exploration
8. Wann hatten Sie den ersten Kontakt mit Alkohol und wann haben Sie das erste Mal Alkohol zu sich genommen?
(Allererste Erinnerung und erster Konsum)
Erste Erinnerung: Mit ca. 8 Jahren, hielt mir mein Opa bei einem Familienfest sein Bierglas hin und wollte mich daran probieren lassen. Ich roch nur daran und empfand den Geruch sehr abstoßend. Ich konnte mir zu der Zeit nicht erklären, weshalb gefühlt alle Erwachsenen so etwas trinken & anscheinend mögen. Meine Mutter hatte das gesehen und meinem Opa einen ernsten Blick zugeworfen.
Erster Konsum: Mit 15 Jahren bei einer Gartenparty eines Mitschülers (mit vielen Klassenkameraden/innen) habe ich zum ersten mal 1 Becher Sekt getrunken und ich war direkt von der schlagartig einsetzenden und berauschenden Wirkung (Gefühlen) begeistert.
9. Haben Sie regelmäßig Alkohol getrunken, und wie hat sich Ihr Trinkverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
In meiner Jugend (15 - 17 J.) begann mein Alkoholkonsum eher sporadisch, meist bei Gelegenheiten wie Geburtstagsfeiern, wo ich etwa 0 (oft ein paar Monate überhaupt nicht) bis 2 Mal im Monat moderat trank - normalerweise ein bis zwei TE (Bier-Mischgetränke, 1-2 kleine Bier oder ein Glas Sekt mit O-Saft). Doch schon damals faszinierten mich das Gefühl und die Wirkung von Alkohol, vielleicht auch aufgrund genetischer Veranlagung (Vater).
Mit dem Erreichen des 17. Lebensjahres (17-21 J.) wurde mein Alkoholkonsum regelmäßiger, vor allem zusammen mit meinem Bruder und unseren gemeinsamen Freunden konsumierte ich schon etwa 2-4 mal pro Monat. Das Feiern war für uns stets mit Alkoholkonsum verbunden und erschien mir als normaler Bestandteil des sozialen Lebens.
Schon früh begann ich, über die gesundheitlichen Risiken des Alkoholkonsums nachzudenken und erlebte die ersten Nachwehen (“Kater"). Diese Erfahrungen belasteten mich mit einem schlechten Gewissen und Ängsten um meine Gesundheit. Im Laufe meines Studiums (inkl. Vorpraktikum), zwischen meinem 21. und 26. Lebensjahr, nahm der Alkoholkonsum deutlich zu (ca. 4-8 mal pro Monat). An den Wochenenden war ich viel auf Studenten- und WG-Partys und in Bars mit meinen Kommilitonen unterwegs.
Besonders belastend war der plötzliche Tod meines Vaters (Ich fand ihn, zusammen mit meinem Bruder und der Polizei, festgefroren in seinem Wohnmobil) im Jahr 2011, der mich emotional stark traf und mich (kurzzeitig) verstärkt zum Alkohol greifen ließ, um meine Gefühle zu betäuben.
Bis zu meinem Fahrradunfall lebte ich in diesem ständigen Wechsel zwischen übermäßigem Konsum und dem Versuch, mein Leben zu ändern bzw. mein Leben gesünder zu gestalten. Äußere Ereignisse wie die Corona-Pandemie verstärkten meine Ängste und führten mich noch tiefer in den Alkoholmissbrauch. Manchmal hinterließ ich mir während der Trunkenheit Nachrichten auf meinem Smartphone, um mich selbst zur Vernunft zu bringen (“hör endlich auf damit”, “das bringt dich noch um” usw.).
Für bestimmte Herausforderungen verzichtete ich zeitweise komplett auf Alkohol und erkannte dabei, dass es mir leichter fiel, ganz darauf zu verzichten, als nur in Maßen zu trinken. Trotz allem war der Gedanke, nie mehr etwas zu trinken, für mich absolut unvorstellbar, ich stelle mir das ist traurig, einsam und bemitleidenswert vor. Mittlerweile weiß ich, dass ein alkoholfreies Leben einen Zugewinn an Zeit, Lebensfreude und Ausgeglichenheit bedeutet und keineswegs mit Verzicht verbunden ist.
10. Wie viel und wie oft haben Sie getrunken?
(Genaue Angaben in Sorte, Menge, Häufigkeit)
15 - 17 Jahre: ca. 1-2 x Monat 1-2 TE (meist Bier-Mixgetränke oder Bier)
17 - 21 Jahre: ca. 2-4 x Monat 5-10 TE (meist Bier 0,5l)
21 - 26 Jahre: ca. 4-8 x Monat 5-20 TE (meist Bier 0,5l)
26 - 41 Jahre: ca. 2-4 x Monat 5-20 TE (meist Bier 0,5l)
Ausreißer ohne Alkohol: Sport Challenge (2016) 3Mon. + Burnout Klinik (2017) 4Mon.
Ich erkannte dabei, dass es mir leichter fiel, nichts zu trinken, anstatt eine kleine Menge zu trinken. In der Woche von Mo- Do habe ich grundsätzlich nicht getrunken (Ausnahme Urlaub).
Maximal Konsum: 6 Maß (6l) Bier auf dem Volksfest + ca. 4 Schnäpse (2 cl/32 Vol.%) von ca. 10-22 Uhr
11. Wo und mit wem haben Sie überwiegend getrunken?
Ich trank Alkohol auf privaten Feiern, in Bars, Clubs, Restaurants, auf Grillfesten und Veranstaltungen wie z.B. Volksfesten. Oft war ich mit meinem Bruder, Freunden, Familie, Kommilitonen, Kollegen und meiner Frau zusammen unterwegs.
12. Warum haben Sie getrunken?
(Innere + äußere Motive)
Innere Motive
Mit der Unterstützung meiner VP, meines Psychiaters und Psychologen sowie Literatur und einem Online-Kurs (zur Rückfallprävention) konnte ich allmählich meine persönlichen inneren Gründe und Motive aufarbeiten. Mein Vater war ein gut funktionierender Alkoholiker (anerkannter Lehrer), und ich musste als Kind die verbalen Angriffe (meist Abends/Nachts, wenn ich bereits im Bett lag) gegen meine Mutter miterleben. Diese sehr belastenden und traumatischen Situationen waren von einer unbeschreiblichen Lautstärke und Aggressivität geprägt, die mir als Kind das Gefühl von Todesangst (insbesondere um meine Mutter) und absoluter Hilflosigkeit vermittelte. In solchen Momenten war meine größte Sorge, dass mein einziger sicherer Ankerpunkt, nämlich meine Mutter, mir genommen werden könnte. Die Aufarbeitung meiner Kindheitserfahrungen zeigte mir, dass ich als Kind keine Sicherheit hatte und daher kein Urvertrauen entwickeln konnte. Stattdessen lernte ich, dass alles unsicher und gefährlich ist.
Eine besonders erschütternde Episode (für mich ein Beweis für die gefühlte Unsicherheit) ereignete sich, als meine Mutter während eines Streits mit meinem Vater versuchte, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Ich erinnere mich noch deutlich daran, wie ich mit schlotternden Knien und Tränen in den Augen Zeuge dieses Vorfalls wurde und meiner Mutter versprach, ihr sofort zu folgen, sollte sie diesen Schritt tun. Trotz dieser belastenden Situationen konnte ich mir nie vorstellen, dass sich meine Eltern trennen würden (für mich war es ja “normal”).
Diese traumatischen Ereignisse prägten nicht nur meine frühe Kindheit, sondern hatten auch erhebliche Auswirkungen auf meine weitere Entwicklung und die Entstehung meiner tiefgreifenden Probleme. Ich entwickelte eine Vielzahl von belastenden Ängsten, darunter Angst vor Verlust, Krankheiten, Unfällen und Gewalt. Im Laufe der Zeit entwickelte ich noch weitere Angst-Ausprägungen, so dass ich sogar Schwierigkeiten hatte, bestimmte Medikamente einzunehmen, aus Angst, davon abhängig zu werden oder unerwünschte Nebenwirkungen zu erleben. Zusätzlich zu meinen Ängsten litt ich seit meiner Kindheit unter schwerwiegenden Schlafstörungen, die durch meine erhöhte Sensibilität gegenüber Geräuschen (Hellhörigkeit) und subtilen Anzeichen von Konflikten noch verstärkt wurden.
Um mich abzusichern, wurde ich perfektionistisch und versuchte, in fast allem perfekt zu sein, was zu zusätzlichem Druck führte. Zudem wurde ich zum Ja-Sager, um Konflikte zu vermeiden, und ich entwickelte eine starke Hochsensibilität gegenüber meinem Umfeld, negativen Emotionen und Konflikten.
Diese Eigenschaften haben mich geprägt und beeinflusst, und erst durch die Aufarbeitung meiner Kindheitserlebnisse konnte ich verstehen, warum ich bestimmte Verhaltensmuster zeige. Meine Verhaltensweisen dienten als Schutzmechanismus, um mich vor weiteren traumatischen Erfahrungen zu bewahren, und führten zu einem ständigen Streben nach Sicherheit und Geborgenheit. Selbst kleinste Veränderungen im Verhalten meiner Mutter (1-2 Schluck Alkohol) lösten bei mir große Ängste aus, da sie für mich die einzige verlässliche Konstante in einem ansonsten unsicheren Umfeld war.
Äußere Motive
Ende 2017 suchte ich aufgrund eines Burnouts eine psychosomatische Klinik auf und im Nachgang. Trotzdem kehrte ich Anfang 2018 zu schnell in einen (sehr) stressigen Beruf zurück, was letztendlich zu einem Hörsturz führte (ein weiteres Zeichen, dass ich zu früh wieder in den Arbeitsalltag eingestiegen war). Das ungesunde Arbeitsumfeld, in dem Kreativität unter Hochdruck und ständiger Konkurrenzkampf gefragt war, machte die Situation nicht besser.
Die Geburt meines Sohnes im Jahr 2019 brachte neue Ängste mit sich. Der Wunsch, alles besser zu machen, als ich es selbst erlebt hatte, setzte mich zusätzlich unter Druck.
Als Folge der anhaltenden Belastung in meinem Beruf, entschied ich mich 2021, meinen (hoch angesehenen) Job zu kündigen und mit meiner Familie in den Norden zu ziehen (Heimat meiner Frau).
Der Umzug sollte einen Neuanfang darstellen, jedoch unterschätzte ich die damit verbundenen Belastungen. Die Renovierung des Hauses, die Betreuung meines Sohnes, der Auf- und Ausbau meiner Selbständigkeit als Designer und der Umgang mit Handwerkern, die alles andere als perfektionistisch waren, beanspruchten meine Energiereserven enorm.
Eine besondere Herausforderung war es, mit meinen Ängsten und Problemen allein zu sein. Weder meine Frau noch Freunde oder Familienangehörige konnten sie nachvollziehen, was zu einem Gefühl der Isolation führte. Daher suchte ich vermehrt Trost im Alkohol, um den Stress zu bewältigen und zu vergessen. Auch Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg verstärkten meine Ängste und Hilflosigkeit, was wiederum den schädlichen Alkoholkonsum weiter verstärkte.
13. Welche Wirkung haben Sie in der Vergangenheit nach Alkoholgenuss bei sich beobachtet?
(bei wenig und bei viel Alkohol)
Wenig Alkohol führte "gefühlt" zu Stressabbau, Entspannung und Glücksgefühlen, die jedoch in den letzten Jahren abgenommen hatten. Es brachte mir Lockerheit, Spaß und Gelassenheit, verbessert das Einschlafen und stärkt mein Selbstbewusstsein. Mit weniger Sorgen konnte ich mich entspannen, tanzen und das Leben etwas mehr genießen.
Hingegen führte übermäßiger Alkoholkonsum zu Selbstüberschätzung, emotionalen Ausbrüchen und erhöhter Risikobereitschaft. In den letzten Jahren traten vermehrt unangenehme Nebenwirkungen wie Traurigkeit, Weinen, Übelkeit und Ängste vor gesundheitlichen Konsequenzen auf. Das Gefühl des Glücks wurde kürzer und war schwerer zu erreichen, was zu Ärger und Selbstvorwürfen führte.
14. Gab es kritische Hinweise Anderer auf Ihren Alkoholkonsum und wie haben Sie darauf reagiert?
Mein Alkoholkonsum wurde von meinem sozialen Umfeld als unauffällig betrachtet, da wir vergleichbare Mengen tranken, ich stets funktionierte (zuverlässig, pünktlich) und selbst im betrunkenen Zustand freundlich, lustig und unterhaltsam blieb. Weder meine Kollegen noch meine Freunde oder Familienmitglieder hatten Anlass zur Sorge, da ich nie negativ auffiel oder aggressiv wurde. Auch die Tatsache, dass ich gelegentlich alleine etwas trank und über meinen Alkoholkonsum nachdachte, blieb weitgehend unbemerkt.
Auch meine Mutter ermahnte mich regelmäßig (vor einer Feier), nicht zu viel zu trinken. Doch oft nahm ich diese Warnungen nicht ernst (Floskel) oder vergaß sie schnell nach den ersten Drinks. Da mein Alkoholkonsum in erster Linie auf das Wochenende beschränkt war und dem meiner Freunde ähnelte, machte sich niemand ernsthafte Gedanken darüber.